Inter-University Centre Dubrovnik

An independent international centre for advanced studies

62 | Zeitanalyse und kulturkritik in der philosophie des 20. jahrhunderts. <BR>Die jahre 1933/1945

Duration
22 Jun 2003 - 29 Jun 2003
Language
German
Status
REGULAR
Course directors :
Goran Gretić , University of Zagreb, Croatia
Marion Heinz , University of Siegen, Germany
Theodore Kisiel , University of Chicago, United States
Gilbert Merlio , Sorbonne University, France
Claudius Strube , University of Wuppertal, Germany
Course description:
Sucht man den Zerfall des wissenschaftlich-kulturellen Lebens während der NS-Zeit an der spezifischen Segmentierung des akademischen Personals festzumachen, so lassen sich – abgesehen von dem groĂ»en Kreis der Mitläufer und Konformisten – fĂźr die universitäre Philosophie wie fĂźr die Ăźbrigen Hochschulwissenschaften in grober Typisierung folgende Gruppen markieren:

1. die Gruppe der Exilierten: neben Einzelpersonen wie LĂświth und Plessner sind vor allem die Vertreter des Wiener Kreises und die AngehĂśrigen der Frankfurter Schule zu nennen; letztere aufgrund der Doppeldiskriminierung als Juden und Marxisten.
2. die Gruppe der bßrgerlichen Konservativen, deren Widerwille gegenßber dem Regime in der Tradition eines aufgeklärten Humanismus wurzelte und zu gemäûigten Formen nonkonformistischen Verhaltens fßhrte (etwa Th. Litt und Spranger).
3. die Gruppe derer, die die sogenannte „innere Emigration“ wählten (z. B. N. Hartmann), sich im Ăźbrigen aber mit dem Regime arrangierten.
4. schlieĂ»lich die Gruppe derer, die sich als geistige „FĂźhrer“ der „Bewegung“ verstanden (so Heidegger, Schmitt) einschlieĂ»lich der wenigen, die auch in den NS-Wissenschaftsorganisationen Macht und Einfluss gewannen (Baeumler, Krieck, Weinhandl).

Während die Faschismusanalysen der erstgenannten Gruppe erst einige Jahrzehnte nach dem Ende der NS-Zeit ihre Wirkung entfalten konnten (und nur fĂźr kurze Zeit und auch dies nicht bei der „zĂźnftigen“ Philosophie), war die letztgenannte Gruppe fĂźr die NS-Ideologie von entscheidender Bedeutung, weil sie der politischen StoĂ»kraft der Bewegung in der Philosophie Halt und Richtung geben wollte.

Dabei galt die Revision der bis dato philosophisch-immanenten a-politischen Grundannahmen der Klassiker-Aneignung als probates Instrument einer den politischen Bedßrfnissen der Zeit angemessenen Re-interpretation: so wurden vor allem Plato (Zßchtung und Staat) und Hegel (Begriff der Totalität) einer neuen Aneignung unterzogen. Der wichtigste Autor war aber Nietzsche, der freilich nicht uminterpretiert werden musste: im Fokus seines Nihilismusbegriffs lieû sich die bisherige Menschheitsgeschichte als Verfallsgeschichte auslegen, deren Ende im heroischen Aufbruch der neuen Zeit endgßltig besiegelt schien.

Von ganz anderer, nämlich politisch-praktischer Bedeutung waren die auf dem Boden eines politischen Existentialismus errichtete Rechts- und Staatstheorie Carl Schmitts und die seiner SchĂźler Forsthoff, Larenz, Huber – Rechtsphilosophen, durch die die AufkĂźndigung von Demokratie und Rechtsstaat die staatsphilosophischen Weihen erhielt.

Aufgabe der Tagung wird es sein, vor dem Hintergrund dieser Grobskizze Akzente zu setzen und Schwerpunkte zu bilden, die eine erneute Aufarbeitung diese von philosophischer Seite immer noch eher beschwiegenen Themenfeldes ermĂśglichen.